Posts tagged ‘German’

Mensch Janosch über Sprache

November 28th, 2006

Aus Janoschs Wörterbuch der Lebenskunst (München 1995):

Sprache

Wahrscheinlich gäbe es weniger Unheil auf der Welt, wäre dem Menschen nicht das Wort gegeben. Mit dem er lügt. Und verdreht. Ein Hund kann gar nicht lügen.

Ursache (cause and reason)

October 7th, 2006

Ur-Sache (cause)

Und was haben wir daraus gemacht!

What have we done? German Ursache may be translated cause and reason. Though, the literal translation would be original thing or prime thing — as if there were.

Wenn uns ein paar Worte fehlen

April 4th, 2006

Das oft Wunderbare an Dichterinnen und Dichtern ist die Buntheit der Worte, die sie finden, wenn ihnen ein paar Worte fehlen.

Kritik ist eine Geschmacksfrage

April 2nd, 2006

Kritik setzt einen Standpunkt voraus, der nicht absolut sein kann, es sei denn die Kritisierenden entscheiden sich für Universalismus anstelle von Relativismus. So ist bereits die Möglichkeit von Objektivität fraglich. Die Begründbarkeit einer Kritik ist grundsätzlich anzuzweifeln, solange die Frage nach einer möglichen Letztbegründung offen ist und diskutiert wird.

Kritik bezieht sich auf Aussagen, die einen bestimmten räumlichen, zeitlichen, kulturellen, sozialen und sonstig eingeschränkten Gültigkeitsbereich haben, der sich auch auf die Kritik überträgt, wobei er im allgemeinen weiter eingeschränkt wird. Kritik bezieht sich auf Sachverhalte, die nicht trivialerweise falsch sind. Was trivial ist und was nicht, ist eine nicht-triviale und meist unentscheidbare Frage.

Solange wesentliche Grundfragen (Was ist Leben? Gibt es freien Willen? Existiert Gott? Was ist wahr, was ist falsch?) diskutiert werden, kann auch Kritik diskutiert werden.

Wenn sich die Kritik auf komplexe, dynamische Systeme erstreckt (beispielsweise Lebewesen und soziale Systeme), so sind deren systemische Eigenschaften, zumindest aber deren Dynamik und Komplexität zu berücksichtigen. Sie erlauben, Kritik in Frage zu stellen, zumal Kritik meist keine ausreichende Komplexitätsreduktion sein kann, insbesondere wenn sie versucht, kritisierbaren Reduktionismus zu vermeiden.

Möchten wir die Bedeutung eines Kategorischen Imperativs oder der Goldenen Regel anerkennen, so ist Kritik hinsichtlich ihres Geltungsanspruches zu überprüfen, vor allem wenn sie über persönliche, individuelle Stellungnahmen hinausgeht.

Kritik setzt im allgemeinen Wissen voraus, jedoch kann kaum von einem Konsens darüber ausgegangen werden, zumal (kritisiertes) Wissen Wissensträgern (siehe Wissenssoziologie) zugeschrieben wird. Kritik und Wissen verstehen sich auch in diesem Sinne als perspektivische Begriffe.

Wenn einer Kritik Modellannahmen zugrunde liegen, kommt auch die Kritik der Modelltheorie, Modellbildung und Simulation zum Tragen.

Die kritisierten Personen und das Kritisierte stehen in einem Kontext, der oft aufgrund von Unzugänglichkeit, Größe, Zeit und Komplexität nicht zur Gänze erfassbar ist. Zum Beispiel können nicht alle Referenzen (der Referenzen) eines wissenschaftlichen Artikels gelesen werden. Manche sind vielleicht gar falsch oder ungenannt. Der persönliche, historische, kulturelle und sonstige Hintergrund einer Autorin oder eines Autors ist schwer rekonstruierbar.

Insofern Kritik eine Form von Kommunikation darstellt oder auf Kommunikation basiert, sind die Probleme der Kommunikation in Betracht zu ziehen. Die Mehrdeutigkeit der verwendeten Begriffe müsste unter Berücksichtigung der Probleme der Semantik abgeklärt werden.

Kritik ist in vielen Fällen eine Kritik einer Kritik, insofern das Kritisierte eine (scheinbar) kritisierbare Aussage über etwas darstellt. Kritik ist in diesem Sinne ein Begriff zweiter Ordnung. Die Kritik an der Kritik ist auf sich selbst anwendbar. Sie kritisiert sich selbst.

Die Selbstreferenz zeigt sich auch, wenn das Kritisierte eine Antwort (auf eine Frage, auf ein Hinterfragen) darstellt und Kritik als ein Hinterfragen oder darauf basierend gesehen wird. Dann wird ein Hinterfragen hinterfragt. So kann Kritik mittels eines Infiniten Regresses ad absurdum geführt werden.

In jedem Fall meint Kritik eine Unterscheidung. Als solche unterscheidet sie Unterscheidungen. Die Operationen (im Sinne der Systemtheorie) einer Kritik sind auf sie selbst anwendbar (mit den aus der Systemtheorie und Kybernetik bekannten Folgen). Das zeigt sich auch in den auftretenden Paradoxien, wenn sich Kritik als Rückmeldung und Feedback versteht.

Kritik kann nur Geschmack meinen.

Wa(h)re(s) Wissen

March 25th, 2006

Am Donnerstag hielt Manfred Füllsack einen wunderbaren Vortrag mit dem Titel “Wa(h)re(s) Wissen”.

Wissen ist ein perspektivischer, selbst-referentieller Begriff, ein Begriff 2. Ordnung. Wissen ist, wie Füllsack schreibt, nur “interimistisch stabilisiert”. Aussagen über Wissen beziehen sich auf sich selbst. Wissen steht in einem Kontext und vor einem Hintergrund.

Ich liebe das, mein Wissen über Wissen. Kürzer ist nur: Ich lüge.

Füllsack lügt nicht. Der Besuch seines Vortrages über die “Ware Wissen”, über “Wissen und seine Wertschätzung” kostete 5 Euro, für 90 Minuten Vortrag und Diskussion.

Folgerichtig wurden auch die freie Zugänglichkeit von Wissen und Kritik am Patentierungswahn angesprochen.

Ich hab mir erlaubt, den Vortrag zu verdoppeln. Wann immer von Wissen, Wahrheit, Erkenntnis, Information, Daten oder Technologie die Rede war, dachte ich auch an Nichtwissen, Unwissen, Unwahrheit und Desinformation. Beispielsweise wurde das Recht auf Wissen und freies Wissen angepriesen.

Wie steht es mit dem Recht auf Nichtwissen? — Wir gestehen uns und unseren Mitmenschen Nichtwissen zu. Gut, gut, das ist eine Lüge, ich weiß :-) Aber tun wir weiter: Niemand erwartet, dass wir alles wissen. Recht auf Nichtwissen fördert Toleranz. Die Justiz sieht das anders: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Auch Schulen, andere Lehranstalten und Lehrende im allgemeinen benoten die Beurteilten nach und mit dem, was sie wissen und nicht wissen.

Wissen können Sie nicht verkaufen, wenn dazugesagt wird, was wir nicht wissen. Wir müssen so tun, als ob das, was wir sagen, relevant wäre.
— Manfred Füllsack, 2006-03-23, sinngemäß wiedergegeben

das maß der dinge

February 26th, 2006

Empfehlungen sind mit Vorsicht zu genießen. Beispielsweise mit der Vorsicht auf die Bühne des Akademietheaters, wo ich Neil LaBute’s “the shape of things” sehen und hören durfte — in einer wunderbaren Fassung von Igor Bauersima und gelungener deutscher Übersetzung von Jakob Kraut: das maß der dinge.

Es war ein Fehler! (Adam, eingestehend)
— Ja. Wie groß war der Fehler? (Evelyn)

Ein faszinierendes Spiel mit Dichotomien, in dem sich unversehens die Zuschauerinnen und Zuschauer wiederfinden, und nicht nur als ebensolche.

Frag nicht warum, wenn das Was vor dir steht. (Evelyn)

Damit ein Ding ein Ding wird, unterscheiden wir es von dem, was noch nicht das Ding ist, was aber doch schon Ding war. Und das Maß selbst nicht minder, das universelle Messer, mit dem wir Gut und Böse trennen, mit dem wir unsere geschätzten und dann lieb gewonnenen Dinge im Maß halten. Auch modellieren, und sei’s mit Schönheitsoperationen.

Es war kein Statement, das war Pornographie. (Jenny)
— Es war keine Pornographie, das war ein Statement. (Evelyn)

Argumente und Begründungen sind schnell gefunden, Hauptsache wir haben Unterscheidungen, an denen wir festhalten können. “Provozieren kann jeder” heißt es, aber “es muss Grenzen geben”. Eben. Die Grenzen der Grenzziehung.
Was ist Kunst? Was ist Wissen(schaft)? Was ist ein Experiment? Und wo sind die Grenzen? Schnell wird das Theaterstück selbst zum Experiment.

Wer war ich vor dem Experiment?
Wer bin ich jetzt? — Joachim Lux, im Programmheft

In Wien bietet sich am Montag, 6. März 2006 nochmal Gelegenheit zur wärmstens empfohlenen Vorsicht im Akademietheater um 20 Uhr: das maß der dinge. Oder:

Dann müssen wir uns wohl darauf einigen, dass wir uns nicht einigen. (Adam)

rätsel sind die auflösung

January 6th, 2006

es gibt keine auflösungen. rätsel sind die auflösung. oder, wenn du so willst: das ist die auflösung, das rätsel und auch nicht. rätsel verbergen nichts, sie legen offen, sie sind überall und nirgendwo. ich trage sie, die rätsel und ihre auflösungen, in mir.